Landläufig werden die Menschen gern in zwei Gruppen eingeteilt, was das Aufstehverhalten betrifft. Da sind einerseits die Frühaufsteher, die morgens mit dem ersten Wecker-Klingeln (oder schon vorher) mit guter Laune aus dem Bett springen. Dagegen sind die Langschläfer morgens meist wortkarg, schlecht gelaunt und ihr bester Freund am Morgen ist die Snooze-Taste. Lerche und Eule halt.
Und warum ist das so?
Wissenschaftlich betrachtet hat das etwas mit unserem Schlaf-Wach-Rhythmus zu tun, dem sogenannten zirkadianen Rhythmus. Der Taktgeber dieses Rhythmus liegt im Gehirn, im sogenannten Hypothalamus. Dieser reguliert unsere innere Uhr auf ziemlich genau 24 Stunden ein mit Hilfe von Informationen von außen wie Helligkeit, Luftfeuchtigkeit oder Temperatur. Spannend ist, dass er unseren Rhythmus sogar für einige Zeit aufrecht erhalten kann, wenn wir völlig von diesen Komponenten abgeschottet werden.
Gesteuert werden unsere Körperfunktionen über die Ausschüttung bestimmter Hormone. So sorgt Melatonin zum Beispiel dafür, dass wir müde sind und durchschlafen. Kortison dagegen ist unser Hallo-wach-Hormon. Es wird in den frühen Morgenstunden in hoher Konzentration ausgeschüttet und übernimmt die Funktion unseres inneren Weckers.
Würde man bei Lerchen und Eulen mal die Hormonspiegel bestimmen, würde man feststellen, dass diese zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten die höchste Ausschüttung ihrer hormonellen Taktgeber haben.
Und kann ich aus der Eule eine Lehre machen?
Glaubt man meiner Mutter muss ich ein schrecklicher Morgenmuffel sein. Sie erzählt immer wieder gern und ausschweifend, wie ich es während meiner Schulzeit geschafft habe, sie morgens regelmäßig mit meiner Stimmung zur Weißglut zu bringen.
Klingt als sei ich eher eine Eule, oder?
Stimmt wohl erstmal.
Viele Jahre habe ich morgens kein Wort heraus bekommen, und wehe dem, der mich angesprochen hat.
Ich habe es phasenweise geschafft, die Snooze-Taste meines Weckers so oft zu drücken, dass ich ihn eine Stunde früher stellen musste um pünktlich zu Uni oder Arbeit zu kommen.
Als ich nach der Uni begonnen habe zu arbeiten und 24-Stunden-Dienste in der Klinik zu machen wurde es noch schlimmer. Durch das ständige Wachsein, bzw. ständige Gewecktwerden verbunden mit innerer Anspannung und Dauerstress sind meine Taktgeber völlig ins Straucheln geraten.
Irgendwann kam dann aber von ganz allein die Erleuchtung. Nachdem ich morgens mal wieder eine halbe Stunde Tiefschlaf gegen oberflächliches Schlummern, immer wieder unterbrochen durch den Wecker, eingetauscht hatte und dann völlig zerknautscht unter der Dusche stand hab ich mich gefragt, warum ich das eigentlich tue.
Und was denkst du war meine Antwort? "Ich habe keine Ahnung."
Das war der Zeitpunkt an dem ich für mich beschlossen habe, dass es besser ist eine Lerche zu sein.
Eine Morgenroutine muss wachsen!
Ich bin dann natürlich nicht am nächsten Tag fröhlich aus dem Bett gesprungen, habe eine Stunde Yoga gemacht und meditiert und bin dann frisch und erholt zur Arbeit gefahren.
Der erste Schritt war es erstmal den Körper daran zu gewöhnen, und vor allem mich daran zu erinnern, dass die Snooze-Taste tabu ist.
Als das geklappt hat, habe ich erstmal einfach länger geschlafen und sonst blieb alles beim Alten.
Zerknautscht war ich jetzt zwar nicht mehr, aber irgendwie trotzdem noch nicht so richtig fit.
Kennst du das, dass dein Morgen immer gleich abläuft, alles irgendwie auf Autopilot ist und du erst richtig wach bist, wenn du auf der Arbeit angekommen bist?
Manchmal war es bei mir so schlimm, dass ich mich nichtmal an die Fahrt im Auto (über die Autobahn!!!) erinnern konnte.
Das fand ich dann irgendwann so erschreckend, dass ich nach etwas gesucht habe, um morgens schon in meinem Gehirn anzukommen.
So hat sich nach und nach meine morgendliche Yogaroutine entwickelt.
Anfangs empfand ich es irgendwie noch als quälend morgens auf die Matte zu müssen (ja am Anfang war es müssen). Heute beginnt kaum ein Tag ohne meine kleine Sequenz am Morgen. Und klappt es mal nicht (ganz selten, z.B. weil der Flieger echt mitten in der Nacht geht) fühle ich mich stocksteif und hab Probleme bei mir anzukommen.
Das Schöne ist, dass meine Routine auch aktuell immer noch weiter wächst. Seit ich vor einem Monat das Trockenbürsten für mich entdeckt habe (was das ist? Guck mal hier!) ist es mittlerweile auch fester Bestandteil meines Morgenrituals geworden. Und seit neuestem versuche ich ein Gratitude-Journal zu führen (dazu an anderer Stelle als mehr).
Wie lange dauert es, bis aus einer neuen Aktivität eine Routine wird?
Schaut man sich auf Selbstverbesserungs-Seiten, in Foren und Büchern von Selbstoptimierungs-Gurus um trifft man immer auf die magischen 21 Tage. Ja, genau 3 Wochen soll es dauern, bis wir uns an eine neue Tätigkeit gewöhnt haben und sie als Routine in unser Leben integriert haben. Aber woher kommt eigentlich diese Zahl?
In den 50er Jahren hat der plastische Chirurg Maxwell Maltz eine Studie mit amputierten Patienten durchgeführt um herauszufinden, wie lange es dauert bis sich die Patienten an das Fehlen des Körperteils gewöhnt haben.
Er kam zu dem Ergebnis, dass es im Schnitt 21 Tage dauert. Auf diese Arbeit beziehen sich alle Aussagen, die wir so finden.
Nicht berücksichtigt wird hier allerdings, dass es sich um eine Durchschnittsangabe handelte. Es werden also alle Zeiten addiert und durch die Menge der Studienteilnehmer geteilt. Das sagt überhaupt nichts über den einzelnen aus.
Ein gutes Beispiel hierfür ist eine andere am University College in London durchgeführte Studie zu dieser Frage. Das Forscherteam um Phillippa Lallay fand heraus, dass es 66 Tage dauere um eine neue Routine zu etablieren. Hier lag die Spanne zwischen 18 und 254 Tagen. Daran sieht man, wie wenig Aussagekraft eine Durchschnittsangabe in diesem Fall hat.
Ich denken wir sind alle Individuen und es dauert so lang wie es dauert.
Es hat immer auch etwas mit unserer Attitüde der neuen Aktivität gegenüber zu tun. Halte ich sie für ein notwendiges Übel, macht es mir keinen Spaß oder tue ich es nur, weil mir irgendwer gesagt hat, dass es sinnvoll oder total hip ist, wird es sicher länger dauern. Verbinde ich ein tiefes Gefühl mit der Aktivität, wünsche ich mir, dass sie Teil meines Lebens wird und freue ich mich auf das Ergebnis, wird sie sicher rasch zur Routine werden.
So ist es zumindest bei mir.
Und wie sieht nun meine (aktuelle) Routine aus?
Der Wecker geht um 5:30 h. Die Snooze-Taste brauche ich schon lang nicht mehr:
- Nach dem Aufstehen gehe ich ins Bad und reinige meine Zunge. Nach den Leeren des Ayurveda sollte man das als erstes tun, da sich über Nacht ein Bakterienrasen auf der Zunge gebildet hat, den man ja nur ungern runterschlucken möchte.
- Danach trinke ich ein Glas warmes Wasser mit einem Tropfen Zitronenöl. Mein Körper fühlt sich danach frisch an und das Zitronenöl wirkt alkalisierend auf den Körper und unterstützt so den Säure-Basen-Haushalt (geht natürlich auch mit frischer Zitrone).
- Danach gehts auf die Matte. Ich beginne immer mit Pranayama, meist mit Nadi Shodhana (Wechselatmung). Dabei hab ich immer das Gefühl, meine rechte und linke Gehirnhälfte wieder zu verbinden. Auch hierzu verwende ich gern ein Öl, meistens Pfefferminzöl oder eine Ölmischung (Breathe von Doterra), weil es sich damit anfühlt, als ob die Schleimhäute abschwellen und die Atemwege freier sind.
- Nach dem Atmen kommt die Bewegung. Erst mach ich meine Wirbelsäule, Flanken und Beinrückseiten lag und begrüße den Tag dann mit einigen Sonnengrüßen. Je nach Stimmung variiere ich hier meist etwas.
- Nach dem Körper kommt der Geist. Hier nehme ich mir ein paar Minuten für mein Gratitude-Journal.
- Jetzt habe ich mir meine Dusche verdient. Vorher kommt jedoch immer das Trockenbürsten.
- Ab hier läuft alle wie früher: Anziehen, Schminken, Tee kochen für die Fahrt zur Arbeit und dann ab ins Auto.
Ganz wichtig zu erwähnen find ich noch, dass das Handy in meiner Routine keinen Platz hat. Ich halte es für sehr heilsam, mich morgens nicht schon mit Nachrichten oder Social Media zu belasten. So hat mein Geist Raum sich seine eigenen Wege zu suchen.
Auch zur Routine habe ich es mir gemacht immer mindestens 20 Minuten vor Dienstbeginn auf der Arbeit zu sein. So komm ich entspannt an, kann noch einen Kaffee mit den Kollegen trinken und ein paar nette Worte wechseln. Für mich gibt es nichts schlimmeres als abgehetzt zu starten. Dann ist der Tag eigentlich schon gelaufen.
Bin ich jetzt eine Lerche oder eine Eule im Lerchen-Kostüm?
Ich weiß es nicht, aber für mich funktioniert das großartig. Ich bin morgens viel ausgeglichener und entspannter und trage das auch in meinen Tag.
Und jetzt wünsch ich dir einen guten Start in den Tag.
Namaste,
deine Nadine